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Der Hexenkult hat auch seine psychologische Seite, wie denn jeder Pantheon auch
Ausdruck einer bestimmten Psychologie ist. Denn jeder Mensch besitzt eine weibliche und
eine männliche Seelenkomponente, in derTiefenpsychologie C.G. Jungs »Anima« und
»Animus« genannt. Indem wir diese rituell im Außen manifestieren (der Tiefenpsychologe
spricht vom »Projizieren«), begegnen wir unserem eigenen Spiegelbild  und tatsächlich
sind wir alle gleichzeitig Diener der Gottheiten und ihre Verkörperung. Dies ist ein
Mysterium, ein scheinbares Paradoxon, das nur in der rituellen Erfahrung aufgelöst und
zur erlebten Wahrheit werden kann.
Es gibt unter Hexen ein Sprichwort, das gerade dem heutigen Menschen zu denken geben
sollte:  DIE ALTEN GÖTTER SIND NICHT TOT. SIE DENKEN VIELMEHR, DASS WIR ES
SEIEN.
Und ist es nicht so, daß die Natur (Stichwort: Umweltzerstörung) im großen Stil erst zu
sterben begann, als man die Alten Götter für tot erklärte? Oder als man sie durch die
neuen Götzen der Technokratie und des blinden  und blindwütigen 
Fortschrittsgiaubens ersetzen zu müssen meinte? Die Alten Götter stellen unsere
Harmonie mit der Natur dar, weil sie selbst diese Natur sind! Darin ist nichts Sentimentales
zu sehen. Es wäre töricht, sich nur als Hexe zu fühlen, weil man ein wenig von keltischen
Das Hexenbuch presented by Strellnikoff@yahoo.com
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oder germanischen Gottheiten schwärmt und gerne ein bißchen an Blumen riecht,
während man im übrigen die Natur kritiklos verklärt. Wir Hexen haben sicherlich viel für
Romantik übrig, aber gerade weil die Alten Götter zu uns sprechen, haben wir es auch
nicht nötig, nur die vermeintlich »positiven« Seiten zu betonen und die »negativen«
stillschweigend zu übergehen. Die Natur ist liebevoll und grausam zugleich: Sie spendet
Leben.aber sie nimmt es auch; sie schützt, aber sie bedroht auch, wie wir bei jeder
»Naturkatastrophe« aufs neue erleben.
Und weil die Alten Götter, wie erwähnt, zu uns sprechen, unverblümt und direkt, ohne
Beschönigungen und Ausweichfloskeln, zeigen sie uns auch ihre dunklen Seiten: Kali
beispielsweise ist eine schreckliche Göttin, die Schwarzmondin ist finsterer als die Nacht,
die Götter der Unterwelt sind alles andere als »lieb« und »nett«. Es wird von unseren
Kritikern oft verkannt, daß der Hexenkult keine unreflektierte Neuauflage einer
romantischen Naturschwärmerei ist, üppig garniert mit ein paar alten Götternamen und
emgekleidet in zahme Wohnzimmerrituale. Die Hexe will vielmehr zur Realität der Natur in
all ihren Aspekten, den lichten wie den finstren, vorstoßen, sie annehmen, wie es einem
Kind dieser Natur geziemt  und in ihr wirken, wie es einer Inkarnation der Gottheit
geziemt. Mit einer Verklärung der Natur, dies erkennen wir Hexen ganz deutlich, ist
niemandem gedient, uns selbst nicht, die wir uns dann weiterhin falsch verhalten und eine
kindische musion von einem Naturtraum mit der Wirklichkeit und ihren höchst wirklichen
Problemen verwechseln; schon gar nicht aber ist der Natur selbst damit gedient, die als
unsere Lebensgeberin ein Recht darauf hat, so genommen und verstanden zu werden, wie
sie wirklich ist.
Es könnte sein, daß unsere gesamte Zukunft als Menschheit davon abhängt, daß wir die
Botschaft der Alten Götter vernehmen und beherzigen: »Seid eins mit der Natur und
versucht nicht, ihr immer wieder aufs neue Gewalt anzutun  denn sie ist mächtiger als
ihr!« Tun wir dies nicht, stellen wir uns weiterhin taub und mißachten wir diese
Aufforderung, so wird es wohl nicht mehr lange dauern, bis der Mensch von diesem
Planeten endgültig verschwindet und von der Evolution als »Fehlentwicklung« abgebucht
wird wie schon so manche Art zuvor.
Bei all diesen Erklärungen verlieren wir allerdings allzu leicht die Tatsache aus den Augen,
daß die Götter erfahren werden müssen, man kann sie sich nicht erdenken! Denn
tatsächlich entzieht sich alles wahrhaft Göttliche einer präzisen sprachlichen
Beschreibung, muß die Sprache angesichts der Erfahrung des Unaussprechlichen
versagen.
Auch verstehen wir die Götter nicht bloß als symbolische Verkörperungen abstrakter
Prinzipien. Wenn wir diese Prinzipien hier aufgeführt haben, so nur deshalb, weil wir in
einer vom monotheistischen Denken geprägten, andererseits aber zunehmend
psychologiegläubigen Kultur einen leichteren Zugang zu dieser Art der Seinswahmehmung
finden mußten. Eme wahre Gottheit läßt sich niemals erschöpfend beschreiben, das ist in
keiner Religion anders. Aber man kann versuchen, sich ihr getreu dem Prinzip »vom
Bekannten zum Unbekannten« anzunähern.
Dies wird besonders deutlich, wenn wiruns das im vorletzten Kapitel bereits kurz erwähnte
Prinzip der »mythischen Wahrheit« vor Augen führen. In unserer gegenwartigen Kultur
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herrscht die rationale Wissenschaft vor, die nur die formallogische »objektive« Wahrheit
kennt. Es ist jedoch ein reines Vorurteil zu glai~ben, daß dies die einzige Form der
Wahrheit sein kann. Darin steckt eine gewalti e unbewußte Uberheblichkeit, denn unser
sogenanntes »wissenschaftliches« Denken ist kaum em paar hundert Jahre alt, das
mythisch magische Denken hingegen hat sich seit zig Jahrtausenden bewährt. Man kann
den Unterschied zwischen beiden Denkformen durch das Bild vom Kopf und vom Bauch
veranschaulichen: das rationalistische Denken gehört zum Kopf, zum analytischen Intellekt
und zum logisch diskursiven Verstand; das mythische Denken gehört dagegen zum
Bauch, zur synthetischen Intuition und zum Gefühl. Früher gab es auch den Ausdruck
»Herzenswahrheit«  das war eine Wahrheit, die mehr erfühlt als errechnet werden
konnte. Diese Herzens oder Bauchwahrheit müssen wir erspüren, wenn wir mit Mythen
umgehen wollen. Dann kommt es auch nicht so sehr darauf an, ob die Mythen »wörtlich«
stimmen, solange sie sich richtig »anfühlen«.
Wie Doreen Valiente in ihrem ABC of Witchcraft schreibt: Kein intelligenter Heide war
jemals so töricht zu glauben, daß der Mond, den er oben am Himmel erblickte, eine Göttin
war. Im Gegenteil, die Planeten und Lichter [d.i.: Sonne und Mond] wurden nach den
Göttern benannt und nicht umgekehrt.
Die Welt der Mythen und der Magie denkt in Analogien und Bildern, wie es unser
Unbewußtes tut  und wie es Kinder noch vorzüglich verstehen, weshalb gerade sie auch
so leicht Zugang zu ihr finden, bis sie schließlich durch die Erwachsenen »umgepolt«
werden. Deshalb sind Rituale einerseits symbolische Handlungen  doch wäre es
verkehrt zu glauben, daß sie damit »nicht wirklich«, »nicht real« wären. Es kostet oft
einiges an Anstrengung, die feinstofflichen Energien, die durch das Ritual freigesetzt
werden, überhaupt zu erkennen und sie dann auch anzunehmen.
Auch wenn man niemals eine wirklich treffende und erschöpfende Beschreibung der
Götter neben kann, läßt sich doch sagen, daß sie in ihrem tiefsten Aspekt jenseits der
Geschlechtlichkeit liegen. Mit anderen Worten: Der Dualismus von Männlich und Weiblich
ist zwar real und verkörpert sich für uns, wie bereits beschrieben, in den Gottheiten. Doch
läßt sich die Transzendenz nicht wirlich in die Grenzen menschlicher Beschränktheit [ Pobierz caÅ‚ość w formacie PDF ]

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